Polymeer

Das Jahr 2043. Holland versinkt unter dem gestiegenen Meeresspiegel. Zwischen Treibgut und Wellen wird auch der Utrechter Chemiker Nero van Dijk ins Meer gerissen. Auf einem pinken Möbelstück treibt er einsam übers Meer, bis er Land entdeckt. Nein, kein Land, sondern Plastik – ein schwimmender Teppich aus Müll, aus dem bald der rettende neue Kontinent für Menschen aus aller Welt entstehen wird. Wie? Mit einer unglaublichen neuen Erfindung.

Eine “apokalyptische Utopie” hat Alexandra Klobouk für ihr Bilderbuch “Polymeer” gezeichnet. Sie erzählt vom Alptraum des vermüllten Meers und vom Traum, aus dem Abfall der Welt etwas Neues zu gestalten. Klobouk hat ihre Bildergeschichte material- und meergerecht plastisch, bunt und wild in Szene gesetzt, mit großzügigen Zeichnungen, Karten und Bezug auf Bilder, die wir aus den Medien kennen, wie der Schildkröte mit der Wespentaille, die in einen Plastikring eingewachsen ist.

Die Hoffnung, dass wir Menschen die magische Maschine entwickeln, mit der wir das Plastik wieder in den Griff kriegen, klingt naiv. Tatsächlich gibt es ernsthafte Projekte in diese Richtung. So versucht das US-amerikanische Projekt Kaisei solche Lösungen zu entwickeln. Nachgedacht wird etwa über künstliche Strände, an denen kleine Plastikpartikel, aber nicht Plankton hängen bleibt. Viele Experten halten solche Versuche aber für aussichtslos. Das sei, wie CO2 mit einem Staubsauger aus der Atmosphäre saugen zu wollen.

Ein richtiges Happy End gibt es auch in “Polymeer” nicht. Plastik ist eben nicht das einzige Problem in Klobouks apokalyptischer Welt.

Im Abspann, einer Tafel über die realen Hintergründe, stellt Klobouk fest: “Es ist praktisch unmöglich den Müll aus dem Pazifik herauszufischen”. Auch das missverständliche Bild eines auf der Oberfläche schwimmenden Teppichs aus Plastik wird hier gerade gerückt.

Dazu zitiert Klobouk Informationen aus den Medien. Nur sind viele Angaben, die derzeit kursieren, unsicher: veraltet, spekulativ, wissenschaftlich nicht belegt. Solche Zahlen beeindrucken zwar. Sie erwecken aber auch die Illusion, dass wir das Problem zumindest intellektuell schon irgendwie im Griff haben.

Die Aufmerksamkeit für dieses neue Umweltproblem ist mittlerweile da. Vielleicht auch, weil die Geschichte vom Plastik mitten im weiten Ozean, weitab der Zivilisation, die Fantasie anregt, wie ein Gleichnis ist für die unbeabsichtigten Folgen unserer Wegwerfgesellschaft. Die Müllwirbel da draußen sind beängstigend und faszinierend zugleich. Das zeigt auch Alexandra Klobouks wunderschön gezeichnete Dystopie.

Alexandra-Klobouk
POLYMEER
eine apokalyptische Utopie
Onkel & Onkel Verlag, 2012

 

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>> Plastikmüll im Meer: Zahlen und Größen im Vergleich


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