Ironbloggerlese #5812

Rechnungen darf man ja auch bei irgendeiner Zahl beginnen.

Ich wage mal eine steile These: Wenn Ironblogger funktioniert, dann könnte das DAS Geschäftsmodell der Zukunft für die Verlage anstoßen: Autorinnen und Autoren werden jetzt nicht mehr schlecht bezahlt, sondern gar nicht – und mehr noch: Sie zahlen dafür, wenn sie nichts zustande bringen! Man stelle sich vor, wie so etwa die Tageszeitungen finanziert würden, die Radiosender und Wochenmagazine, und wie ungeschriebene Bestseller ganze Häuser über die Runden brächten.

Das Schöne allerdings an Ironblogger und auch der Unterschied zum gewöhnlichen Zuschussverlag ist, dass hinterher alles ganz sozialistisch zusammen verprasst wird. Und weil das wirklich nett ist, nicht nur als Idee sondern auch in Echt, weil die Ironbloggerinnen interessante Leute sind und sogar bis 3 Uhr durchhalten – ja, sogar mich dazu bringen, mal wieder bis 3 Uhr durchzuhalten, was ja traurigerweise nur noch selten passiert – deshalb bringe ich es einfach nicht übers Herz Schluss zu machen. So wie es Jay Cousins getan hat, zu meinem sehr großen Bedauern und mit der sehr richtigen Begründung:

Ok Iron Blogger, I hereby withdraw. I think the desire to post comes from the desire to share. Beer or penalties only serve to cause me to rush post on my mobile phone or try to think of hasty content at this hour on a Sunday.

Oh, wie traurig das ist, und wie recht Jay doch hat. Aber wie gesagt, ich bin noch nicht soweit, auch wenn nach ersten irgendwie ambitionierten Versuchen jetzt zwei Slacker-Wochen ins Land gegangen sind und der Blogpost von dieser Woche auch eher unter die Kategorie “Slackerpost” fallen dürfte. Bevor ich ganz in selbstkritischen Trübsinn verfalle, kommt mir aber in den Sinn, wie wichtig diese Wochen waren: Ohne uns Slacker geht es nicht. Ohne die Slacker gibt es kein Bier! Nehmt das.

Gut. Nachdem das jetzt endlich gebloggt ist, habe ich mir überlegt, dass diese Woche anders ist und der Sonntag noch jung, und dass man ja auch nicht unbedingt den Haushalt machen muss, das geht ja auch wann anders.

Ich nehme euch jetzt also mal rüber zu ironbloggerberlin.

Die Auswahl der Posts ist natürlich intuitiv. Es empfiehlt sich, erstmal die Titel zu scannen, generell fange ich auch meist bei den Leuten an, die wenige Posts geschrieben haben und arbeite mich dann zu den Powerbloggern vor. Da mein Vater mir mal beigebracht hat, dass man den Spiegel immer von hinten anfangen muss, ähnlich wie bei japanischen Comics, des Hohlspiegels und Boulevards willen, fange ich von unten an. Aber dann springe ich.

Gebookmarked ist schon mal tristesse, der mit einem Wort und einem Post auskommt, was mich irgendwie neugierig macht. Sowas spar ich mir natürlich auf. Ich scrolle nach oben und mir stockt der Atem: Bye Bye Iron Blogger Berlin, titelt Philip. Oh jeminee, es geht also doch bergab mit den Blogs, die Menschen sind mit Facebook glücklich oder sie verlassen das Internet ganz…aber vielleicht sollte ich den Post erstmal lesen. Es stellt sich heraus, dass Philip nur wegzieht und dort dann aber auch ein neues Ironblogger ins Leben ruft, und dass er natürlich nicht für unser Bier zahlen möchte, wenn er gar nicht kann, was ja verständlich ist, aber natürlich von Makos neuer, wohl nicht zufällig anlässlich seines Berlinbesuches erfundener Regel Gebrauch machen wird, dass falls man in der Stadt ist, dass man dann mittrinken darf. Das ist voll und ganz ok.

So, mal weitersehen. Wie gesagt, “See” von tristesse spare ich auf, das ist bestimmt ganz toll, das will ich also jetzt noch nicht wissen. Pausanias lese ich immer sehr gerne, der will “Der alten Tante Beine machen“. Hat schon mehrere Lieblingsironbloggerposts gemacht. Sehr schön fand ich “Die Membran“, auch was mit Humano Menetekel, aber jetzt finde ich es nicht mehr. Die alte Tante entpuppt sich als SPD-Beitrag, es geht um die Position zur Vorratsdatenspeicherung. Es ist toll, dass es noch Leute gibt, die an Parteien glauben, sie gründen, reformieren und natürlich auch wählen gehen, aber ich persönlich habe mit Parteien nichts am Hut, und deshalb ist dieser Post mal ausnahmsweise nichts für mich.

Scrolle mich weiter durch die eiserne Blogroll und bleibe an openmedis “Zeit” hängen. Irgendwie sind es heute die kurzen Titel. Openmedi geht ja öfters mal ans Eingemachte, und das mag ich, weil das das ist, wofür das Bloggen meiner Ansicht nach erfunden wurde, oder vielleicht auch einfach nur das, was ich am Bloggen selbst so besonders finde. Leute, die einfach und ehrlich aufschreiben, was ihnen in den Sinn kommt oder auf dem Herzen liegt. Bei diesem Post jetzt, geht es darum, dass so wenig Zeit ist, um perfekt in allem zu werden, was man gerne macht. Es geht auch darum, dass man nie unabhängig ist, dass man Entscheidungen für eine Sache und gegen viele andere machen muss, in denen man dann kein Spezialist ist.

Dieses Gefühl, kein Spezialist zu sein, habe ich ständig. Ich bin ja immer die Person, die dumme Fragen stellt und sich in keinem Thema auch nur halb so gut auskennt wie meine Interviewpartner. Und trotzdem finde ich das nicht mehr schlimm. Ich finde es auch nicht mehr schlimm, dass bestimmte Züge abgefahren sind, dass der Himmel nicht mehr voller Geigen hängt. Es erleichtert mir irgendwie das Leben, dass es so mäandert ist und der Strom eben jetzt weiter in diese Richtung fließt. Das andere Gefühl, “besser” oder sogar “perfekt” in irgendetwas zu werden, habe ich mittlerweile nicht mehr. Vielleicht liegt es einfach auch daran, dass das, was ich beruflich mache, immer eine Art Sprint ist. Was dann am Ende gesendet oder publiziert, ist eben so, wie es ist. Und lernen tut man immer draus. Irgendwie passt das dann wieder zu openmedis Fazit:

“Es gibt genug Probleme in jedem Leben, die bei genauer Betrachtung keine sind. Und es gibt auch immer ein paar Probleme, die man sozusagen braucht. Der Mensch ist nun mal ein ambivalentes Wesen.”

Vielleicht also erstmal einen geheimen Ort von der spreemieze anschauen, die Prinzessinnengärten. Kann man eigentlich nicht oft genug drüber schreiben. Geheimer sind da aber noch die Orte aus “Little little China Town“, von dem ich bisher noch gar nichts wusste.

Bei amsellen geht’s um die Knolle: 21 Hobbykartoffeln aus dem Internet. Staune nicht schlecht über die Unterscheidung zwischen “Pflanzkartoffeln” und “Hobbykartoffeln”, die sich nicht weiter verbreiten dürfen. Wo ist Monsanto, wenn man es braucht – Scherz beiseite, wieso bitte gibt es so eine Unterscheidung? amsellen erklärt:

“Viele Kartoffeln sind und bleiben ein geistiges Eigentum, das geschützt ist. (…) Die älteste deutsche Kartoffelsorte ist heute die Sieglinde. Da der Sortenschutz für Kartoffeln in Deutschland 30 Jahre beträgt und ihre Zulassung 1935 beantragt wurde, ist sie nun inzwischen “frei”. Meine Hobbykartoffeln und viele anderen Knollen sind jedoch nicht gemeinfrei”

Also wirklich. Wie können Knollen “geistiges Eigentum” sein?

antischokke prangert da ein anderes Übel an, das der zu kleinen Mülleimer. Dazu gibt es ein tumblr-Blog, das die Mülleimer zu klein sind. Vielleicht ist aber auch unser Müll zu groß.

Einer der Powerironblogger ist ja alper. Der Titel, den ich am interessantesten finde, ist Neutralizing your politically aware subjectivity. Alper zitiert da Rob Horning, mir vorher unbekannt, der geschrieben hat, dass die sozialen Medien die Subjektivität der Nutzer einfangen bzw. eingrenzen und neutralisieren. Das ist mir ein bisschen sehr theoretisch und ich hätte gern ein paar Beispiele, wie sie meine Subjektivität neutralisieren. Im verlinkten Artikel finde ich die auch nicht, dafür diesen ganz interessanten Satz:

“The more we use social media to try to individuate, the more we format ourselves to be machine processable, the more we reduce our ineffability to code.”

Ich glaube aber auch, dass sich im sozialen Netz, in Netzwerken wie Twitter und Facebook und Co., immer wieder neue Kommunikationsweisen heraus bilden, die das maschinelle Verarbeiten wieder unterlaufen. Ironie, komische Hashtags, die nur drei Insider verstehen, Pseudonyme usw. Generell teile ich die Kritik an den Großen, aber das Prinzip hinter sozialen Medien liegt im Netz nahe und ist sinnvoll und gut.

Was mich zum “Stellenwert von Email” bei anmut und demut bringt. Email lebt. Meine erste hab ich 1995 bekommen, natürlich schön ausgedruckt, und nichts kapiert. Wie sehr Email unsere Kommunikation heute noch dominiert, wusste ich so nicht:

“In jeder Minute werden von Usern 200.000.000 Emails abgeschickt, 100 Mal soviele, wie Anfragen an Google. Und die Sprachwendung “Emails Users send” scheint mir nahezulegen, dass da Spam schon rausgerechnet ist. Facebook und alles andere tummelt sich weit unter 1%.”

Eine ganz großartige Empfehlung ist übrigens bei Herr B zu finden: Der Genderremixer – remixt Mädchen- und Jungenwerbung. Sehr cool auch die Designstudie mit Damenbohrer und Männerrührstab. Da sage noch eine, das Design von Elektrogeräten wäre geschlechterneutral.

Der Rebell ist ja auch gern mal ein Typ, so wie Marlon Brando oder Jim Morrison. Horax empfiehlt dazu die Rebell-Serie auf Arte, bei der es auch eine Folge “Bad Girls” gibt, hoffentlich nicht die einzige Folge, in der Frauen mal Lederjacken anhaben.

Jetzt aber endlich! Nach soviel ironblogger-Lese darf man das: Mit tristesse an den See zum gepflegten Slackern.

Zum Schluss noch ein Hinweis an alle, die es bis hier unten geschafft haben, zum Satzunterbringungswettbewerb der taz. Der ist nun auch für digitale Medien geöffnet, also auch für die Ironblogger.

Die ganze Welt liebt Tiki-Taka, den Kiwis lieber ist ihr Haka.


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